Schiffbruch fernab der Zivilisation
Von Reinhard Staubach

Im Jahr 1864 führten in Europa Preußen und Österreich Krieg gegen Dänemark um Schleswig-Holstein. In der Schweiz vereinbarten zwölf Staaten die erste Genfer Konvention über humane Behandlung verwundeter und kranker Kriegsgefangener und in München wurde der Komponist Richard Strauß geboren. Soweit einige Ereignisse jenes Jahres. Von einem Drama im südlichen Pazifik erfuhr die Welt erst Monate später.

Denn im Jahr 1864 strandeten zwei Segelschiffe an den unbewohnten Auklandinseln, 465 km südöstlich von Neuseeland und weit ab von den üblichen Seewegen. Bei Sturm und dichtem Nebel kenterte die »Grafton« im Januar an den südlichen Klippen der Inseln. Vier Monate später, im Mai des selben Jahres, strandete die »Invercloud« an den westlichen Klippen.

Alle fünf Besatzungsmitglieder der aus Australien kommenden »Grifton« überlebten den Schiffbruch und konnten aus dem Wrack Lebensmittel und überlebenswichtige Gegenstände bergen. Der Kapitän handelte umsichtig und hielt die Gruppe zusammen, die den Inselaufenthalt organisierte und Regeln für das Zusammenleben aufstellte, die von allen eingehalten wurden. Sie bauten eine Behausung und ernährten sich von Pilzen, Vögeln, deren Eiern und Robbenfleisch. Es gelang ihnen, aus den Wrackteilen der »Grifton« ein kleines Boot zu bauen, in dem drei der Überlebenden nach 18 Monaten die Auklandinseln verließen. Nachdem sie in Neuseeland eingetroffen waren, wurden die zwei zurückgelassenen Schiffbrüchigen abgeholt, weil das selbstgebaute Boot nicht alle fünf hatte aufnehmen können.

Die Überlebenden der schottischen »Invercloud« konnten aus ihrem Wrack weder Lebensmittel noch Schiffsteile bergen, weil der Sturm alles weggetrieben hatte. Dennoch war ihre Situation nicht völlig aussichtslos, nachdem sie auf eine verlassene Walfänger-Siedlung stießen, wo sie Werkzeuge, Metall und Holz fanden. Doch es fehlte dem Kapitän an Führungsvermögen, was zu Streit und zum Zerfall der überlebenden Gruppe führte. Kranke und Verwundete wurden nicht versorgt und ihrem Schicksal überlassen. Jeder dachte nur an sich. Wegen Nahrungsmittelmangel soll es zu Kannibalismus gekommen sein. Als nach einem Jahr zufällig ein Schiff vorbeikam, lebten nur noch drei der ursprünglich 28 Männer.

Die Mannschaften der zwei verunglückten Schiffe begegneten sich auf den Auklandinseln nicht und erfuhren erst nach ihrer Rettung, dass sie zur selben Zeit auf dem Eiland gewesen waren. Die gebirgige und auch heute noch unbewohnte Inselgruppe vulkanischen Ursprungs ist 40 km lang und misst an der breitesten Stelle 12 km. Durchschnittlich regnet es an 300 Tagen im Jahr bei andauernd starken Westwinden. Die Temperatur liegt im Jahresmittel bei etwa acht Grad Celsius, wobei das Thermometer maximal die 16 Grad-Marke erklimmt. Die Pazifikinsel ist also kein Urlaubsparadies, sondern eine echte Herausforderung, um zu überleben.

Das unterschiedliche Verhalten der zwei Schiffbrüchigengruppen offenbart, wie wichtig es ist, in Extremsituationen zusammenzuhalten, eine geeignete Führungspersönlichkeit zu unterstützen und gemeinsam Probleme zu bewältigen.

François Raynal, Überlebender der »Grafton«, erzählte später dem Schriftsteller Jules Verne seine Erlebnisse auf den Auklandinseln. Durch den Bericht inspiriert schrieb der damals schon berühmte Autor den Roman »Die geheimnisvolle Insel«, ein Bestseller.

 

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- Aucklandinseln
- Grafton
- Invercauld
- Die Schiffbrüchigen - Überlebenskampf auf den Aucklands vor Neuseeland



      

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wie gut und schön ist es,
wenn Brüder miteinander
in Eintracht wohnen.

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© Copyright by Reinhard Staubach - Aktualisiert: Samstag, 18-Feb-2023