Leseproben
      
 
Das Erstgeburtsrecht
aus

„Du wolltest mir noch erklären“, erinnerte ich ihn, „wieso Jafet der älteste Sohn Noahs war. aber nicht an erster Stelle in der Bibel genannt wird [meistens: Sem, Ham und Jafet]. Es ist doch üblich, den Ältesten zuerst zu nennen und dann die später geborenen.“
   „Das hängt mit dem Erstgeburtsrecht zusammen“, sagte Suvork. „Normalerweise hat der älteste Sohn Anspruch auf das Erstgeburtsrecht“, erkläre Suvork. „Gelegentlich wurden Ausnahmen gemacht. Jafet war so eine Ausnahme. Das wird in der Bibel nur angedeutet. In den ersten Luther-Bibeln und bei wenigen anderen Übersetzern kann man noch lesen, dass Jafet der älteste der drei Söhne Noahs war. Am deutlichsten steht es in der Elberfelder Bibel: Und dem Sem, dem Vater aller Söhne Hebers, dem Bruder Japhets, des ältesten, auch ihm wurden Söhne geboren – 1. Mose 10:21.
   Spätere Übersetzer behaupteten dann gedankenlos, dass Sem der älteste Sohn sei. Dabei bemerkten sie oft nicht ihren eigenen Widerspruch. Im neunten Kapitel schreiben etliche Übersetzer, dass Ham der jüngste Sohn Noahs ist. Und ein paar Zeilen weiter, im zehnten Kapitel, schreiben sie dann, dass Ham älter sei als Jafet. Luther ist beim Originaltext geblieben, doch in manch revidierten Ausgaben wurde die Sache dann unklar oder gar verfälscht. Jafet war der Älteste. Danach kam Sem zur Welt. Ham war der Jüngste der drei Söhne Noahs. Ich zitiere noch einmal aus der Elberfelder Bibel von 1975: Und Ham, der Vater Kanaans, sah die Blöße seines Vaters ... Und Noah erwachte von seinem Weine und erfuhr, was sein jüngster Sohn getan hatte. - 1. Mose 9:22-25.Und in der Luther-Bibel von 1897 steht es auch ganz klar: Als nun Noah erwachte von seinem Wein, und erfuhr, was ihm sein jüngster Sohn getan hatte ... - 1. Mose 9:24, nämlich Ham.“
   Ich unterbrach Suvork: „Ich staune, dass du so einfach aus der Bibel zitieren kannst. Und dann auch noch aus verschiedenen Übersetzungen aus unterschiedlich Jahrhunderte. Wie machst du das?“
   „Ich habe ein hervorragendes Gedächtnis“, sagte Suvork. „Was ich einmal gelesen haben, ist abgespeichert. Für immer. Das hängt mit meiner Unsterblichkeit zusammen.
   Einmal lebte ich in einem christlichen Kloster. Die Nonnen gaben mir alles zu lesen, was sie hatten. Auch die Mönche in Tibet freuten sich, einen Raben ihre Schriften lesen zu lassen. Ein anderes Mal freundete ich mich mit einem Schriftsteller in Österreich an. Der hatte eine umfangreiche Bibliothek. Bei ihm konnte ich die gesamte moderne Literatur lesen. Leider ist der Mann vor ein paar Jahren gestorben. Seit dem bin ich nicht mehr so ganz auf dem Laufenden, was an Neuerscheinungen in den letzten Jahren gedruckt wurde. – Aber zurück zu Noah und Jafet.
   Eines Tages bat Jafet seinen Vater um eine Aussprache unter vier Augen. Sie gingen hinab zu den Boxen, in denen die Elefanten schliefen und setzten sich davor. Dort belauschte ich folgendes Gespräch.“


Fortsetzung im Roman: „Ein Jahr und zehn Tage“
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© Copyright by Reinhard Staubach - Aktualisiert: Dienstag, 24-Nov-2020